25.04.2013
Arbeitsrecht
Kündigung wegen Kirchenaustritts gerechtfertigt
Kirchenaustritt stellt Verstoß gegen arbeitsvertragliche Loyalitätsobliegenheiten dar
Der Austritt eines Mitarbeiters einer von einem katholischen Caritasverband getragenen Kinderbetreuungsstätte aus der katholischen Kirche kann die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht.
Nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden
Gesetze selbst. Dieses Recht kommt neben den verfassten Kirchen auch den
ihnen zugeordneten karitativen Einrichtungen zu. Es ermöglicht ihnen, in den
Schranken des für alle geltenden Gesetzes den kirchlichen Dienst auch im Rahmen
privatrechtlich begründeter Arbeitsverhältnisse entsprechend ihrem Selbstverständnis
zu regeln. Nach der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher
Arbeitsverhältnisse von 1993 ist der Austritt aus der katholischen Kirche ein
schwerwiegender Loyalitätsverstoß, der eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters
nicht zulässt. Im Kündigungsschutzprozess haben die Arbeitsgerichte zwischen den
Grundrechten der Arbeitnehmer - etwa auf Glaubens- und Gewissensfreiheit - und
dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaft abzuwägen.
Kläger tritt aufgrund der zahlreichen Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen aus der Kirche aus
Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls, ein seit 1992 beim beklagten Caritasverband beschäftigter Sozialpädagoge, arbeitete in einem sozialen Zentrum, in dem Schulkinder bis zum 12. Lebensjahr nachmittags betreut werden. Die Religionszugehörigkeit der Kinder ist ohne Bedeutung. Religiöse Inhalte werden nicht vermittelt. Im Februar 2011 trat
der Kläger aus der katholischen Kirche aus. Gegenüber dem Beklagten nannte er als
Beweggründe die zahlreichen Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen, die
Vorgänge um die "Piusbruderschaft" und die Karfreitagsliturgie, in der eine antijudaische
Tradition der katholischen Kirche zu Tage trete.
Glaubens- und Gewissensfreiheit des Klägers muss hinter das Selbstbestimmungsrecht des beklagten Caritasverbrands zurücktreten
Das Bundesarbeitsgericht hat - wie die Vorinstanzen - die Klage des Sozialpädagogen gegen
seine auf seinen Austritt aus der katholischen Kirche gestützte Kündigung ab. Der Kläger hat durch seinen Austritt gegen seine arbeitsvertraglichen Loyalitätsobliegenheiten
verstoßen. Aufgrund dessen war es dem Beklagten nicht zumutbar, ihn als
Sozialpädagogen weiter zu beschäftigen. Nach dem kirchlichen Selbstverständnis
leistete der Kläger unmittelbar "Dienst am Menschen" und nahm damit am Sendungsauftrag
der katholischen Kirche teil. Ihm fehlt infolge seines Kirchenaustritts
nach dem Glaubensverständnis des Beklagten die Eignung für eine Weiterbeschäftigung
im Rahmen der Dienstgemeinschaft. Zwar hat auch die Glaubens- und Gewissensfreiheit
des Klägers ein hohes Gewicht. Sie musste aber hier hinter das Selbstbestimmungsrecht
des Beklagten zurücktreten. Dieser kann im vorliegenden Fall von
den staatlichen Gerichten nicht gezwungen werden, im verkündigungsnahen Bereich
einen Mitarbeiter weiter zu beschäftigen, der nicht nur in einem einzelnen Punkt den
kirchlichen Loyalitätsanforderungen nicht gerecht geworden ist, sondern sich insgesamt
von der katholischen Glaubensgemeinschaft losgesagt hat. Beschäftigungsdauer und Lebensalter des Klägers fielen demgegenüber im Ergebnis nicht ins Gewicht.
Für Sozialpädagogen gibt es zudem auch außerhalb der katholischen Kirche
und ihrer Einrichtungen Beschäftigungsmöglichkeiten.
BAG verneint Diskriminierung
Der Kläger wird durch die Kündigung nicht iSv. § 1, § 7 AGG diskriminiert. Die Ungleichbehandlung wegen seiner Religion ist nach § 9 Abs. 1, Abs. 2 AGG gerechtfertigt.
Eine entscheidungserhebliche Frage der Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie
2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 stellte sich angesichts der Art
der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit nicht.
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Eine weitere Entscheidung zu diesem Thema:
- EGMR: Kündigung einer bei der evangelischen Kirche angestellten Kindergärtnerin wegen Mitgliedschaft in anderer Religionsgemeinschaft gerechtfertigt ( Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Urteil [Aktenzeichen: 18136/02] )
- BAG: Kündigung des Chefarztes einer katholischen Klinik wegen Wiederverheiratung unzulässig ( Bundesarbeitsgericht Urteil [Aktenzeichen: 2 AZR 543/10] )
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Vorinstanz:
- Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Urteil [Aktenzeichen: 12 Sa 55/11]
Angaben zum Gericht:
- Gericht:Bundesarbeitsgericht
- Entscheidungsart:Urteil
- Datum:25.04.2013
- Aktenzeichen:2 AZR 579/12
Quelle:Bundesarbeitsgericht/ra-online
