15.10.2025
Presserecht,Polizei- und Ordnungsrecht
Auch Journalisten dürfen zu Polizeikosten im Rahmen der Räumung eines Protestcamps herangezogen werden
Pressefreiheit ist nicht grundsätzlich "polizeifest"
Personen, die im Rahmen der Räumung des Dannenröder Forstes für den Bau der Autobahn 49 von der Polizei von Baumhäusern geborgen wurden, können für die entstandenen Polizeikosten herangezogen werden. Das hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden entschieden.
Geklagt hatten zwei Journalisten, die sich Anfang Dezember 2020 auf Baumhäuser im Dannenröder Forst begeben hatten. Nach eigenen Angaben hätten die Kläger über die Rodungsarbeiten berichten wollen, die für den Aus- und Weiterbau der Autobahn 49 im Dannenröder Forst insbesondere von Oktober bis Dezember 2020 stattfanden. Gegner des Vorhabens hatten in den zu rodenden Waldbereichen über Monate hinweg zahlreiche Camps mit Baumhäusern und ähnlichen Strukturen sowie unzählige Blockaden errichtet.
Die Baumhäuser, auf die sich die Kläger begeben hatten, befanden sich in einem Bereich des Waldes, der zum Sperrgebiet erklärt worden war und für den die Polizei mittels Lautsprecher an den jeweiligen Tagen Allgemeinverfügungen erlassen hatte, die zum Verlassen der Baumhäuser verpflichtete. Nachdem die Kläger der Aufforderung nicht nachgekommen waren, wurden sie jeweils von der Polizei mittels Hubsteigers geborgen. Die Kosten dafür wurden jeweils den Klägern in Rechnung gestellt.
Die dafür ergangenen Kostenbescheide sind rechtmäßig, wie das Gericht nun entschied. Die Verbringung vom Baumhaus sei aus Gründen der Gefahrenabwehr erforderlich gewesen. Der Aufenthalt im Baumhaus habe eine Störung der öffentlichen Sicherheit dargestellt, wie die Kammer befand. Dies ergebe sich schon daraus, dass das betroffene Waldgebiet zum Zwecke der Waldumwandlung gesperrt gewesen sei. Vor allem aber hätten die Kläger durch ihren Aufenthalt in den Baumhäusern im Sperrgebiet sowohl für sich selbst als auch für Dritte eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben verursacht. Im Bereich der weit vorangeschritten gewesenen Waldumwandlung hätten sich die Kläger jeweils auf mehreren Metern Höhe in einem Baumhaus befunden, dessen Standsicherheit zudem nicht gewährleistet gewesen sei. Aufgrund der Rodung des Waldes habe für die im Wald befindlichen Personen die Gefahr bestanden, durch herabstürzende Bäume oder Äste oder das einzusetzende schwere Gerät verletzt oder schlimmstenfalls getötet zu werden. Dies sehe die Kammer auch durch die von den Beteiligten aufgenommenen Videos bestätigt. Auf diesen seien neben den in mehreren Metern Höhe befindlichen selbstgebauten Baumhäusern auch aus der Höhe herunterfallende Äste zu erkennen.
Die Kammer berücksichtige, dass die Kläger während der Räumung der Baumhäuser Videos bzw. Fotos aufnahmen oder Interviews führten, was in ihre journalistische Tätigkeit und damit in den Schutzbereich der Pressefreiheit falle. Der insoweit gegebene Grundrechtseingriff sei jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt gewesen. Die in Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes garantierte Pressefreiheit sei nicht grundsätzlich „polizeifest“. Polizeirechtliche Beschränkungen, die den äußeren Rahmen der Pressetätigkeit betreffen, seien zulässig. Unter Berücksichtigung der Gegebenheiten vor Ort, sei dem Schutz von Leib und Leben ein solch überragendes Gewicht zugekommen, dass insoweit der (weiteren) Ausübung der Tätigkeit der Kläger als Pressevertreter kein Vorrang einzuräumen gewesen sei.
Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit sei im Falle der Kläger, die sich nicht an den Protestaktionen beteiligt hätten, nicht tangiert.
Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Innerhalb eines Monats kann die Zulassung der Berufung beantragt werden. Über diesen Antrag hätte der Hessische Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden.
Angaben zum Gericht:
- Gericht:Verwaltungsgericht Wiesbaden
- Entscheidungsart:Urteil
- Datum:19.08.2025
- Aktenzeichen:2 K 1092/21.WI, 2 K 1205/21.WI
Quelle:Verwaltungsgericht Wiesbaden, ra-online (pm/pt)